Am Freitag legte die Stadt initiiert von der Siedlervereinigung der Dornier-Eigenheimer e.V. und unterstützt vom BA in Neuaubing ein markantes Zeichen gegen das Vergessen ab.
Lebensgeschichten als Mahnmal
Gegen das Vergessen der zahllosen unschuldigen Opfer des Nationalsozialismus, die zwischen 1942 und 1945 im Zwangsarbeiterlager der Reichsbahn in Neuaubing unter menschenunwürdigen und sogar grausamen Bedingungen lebten und deshalb ihr Leben verloren. Die sechs Baracken waren Teil der 450 Lager für gewaltsam verschleppte Arbeitskräfte in München. Die Mehrheit von ihnen stammte aus Polen, Weißrussland, Russland und der Ukraine.
Elf Gedächtniszeichen
Auf Initiative der Siedlervereinigung organisierte die Stadt München an der Ehrenbürgstraße 9 eine würdige Gedenkfeier, bei der zwei Stelen mit elf Erinnerungszeichen mit Namen – symbolisch für die 1000 Neuaubinger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter – errichtet wurden. Darunter ein Baby im Alter von fünfeinhalb Monaten einer Zwangsarbeiterin.
Die Zeichen erinnern an Iwan Blyznjuk, Anita Hoffmann, Andrij Kiritschenko, Emilija Kriger, Seitiagop Mimikleo, Antonio Salvatore, Wassyl Schaferost, Efrosinija Surdakowa, Jacobus Verwoerd, Wincenty Więcek und Maria Wojciechowska. Mitglieder der Siedlervereinigung verlasen ihre Biografie. Die anspruchsvolle musikalische Gestaltung kam von Ute Kalmer an der Klarinette und Petra Maull am Akkordeon.
Erinnerung an die Großmutter
Larisa Borisenko gehörte bei der Gedenkveranstaltung zu den besonderen Gästen. Sie ist die Enkelin von Efrosinija Surdakowa, einer Zwangsarbeiterin, die in Neuaubing interniert war. Mit bewegten Worten hieß sie der Grünen-Stadtrat Sebastian Weisenburger willkommen.
Borisenko erzählte den Anwesenden kurz von den Geschichten ihrer Mutter, die selbst in den Baracken aufwuchs. Ihre Oma hatte im nahen Ausbesserungswerk Neuaubing (RAW) harte körperliche Arbeit zu verrichten: Waggons zu säubern, instand zu setzen und für Kriegszwecke umzugestalten.
Keine Verurteilung
Die erinnerungswürdigen Objekte in Würfelform bestehen aus gebürstetem Edelstahl. Sie beinhalten die zentralen Lebensdaten, Informationen über die Verfolgung und das Schicksal sowie – sofern vorhanden – ein Bild.
Laut der Vorsitzenden Antje Brandl sollen die vergoldeten Zeichen „nicht verurteilen und Schuld zu weisen, sondern erinnern“ an die schrecklichen Geschehnisse jener Zeit. Wie Brandl weiter betonte, übernehmen die Neuaubinger Dornier-Siedler auch die Patenschaften für diese Stelen.
BA half Dorniersiedlern
Schicksale sind für Sebastian Kriesel, den Vorsitzenden des BA 22, ebenso mit den Erinnerungszeichen verbunden, wie Namen. Es sei außerordentlich wichtig, dass diese furchtbare Zeit und das unvorstellbare Leid, das den Menschen damals zugefügt wurde, „wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wird“, betonte er und hob die große Unterstützung des Projekts durch den BA hervor. „Es handelt sich um elf Namen, aber die Zahl derjenigen, die hier ihr Leben verloren haben, ist weit höher“, führte Kriesel fort. Den meist vergessenen Opfern der NS-Verfolgung wird damit zumindest symbolisch ein Platz in der Stadtgesellschaft zurückgegeben.
Unvorstellbare Verhältnisse
Efrosinija Surdakowa, die vermutlich in Westrussland lebte, wurde 1942 zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich deportiert. Sie war seit dem 29. September 1944 zusammen mit ihren drei Töchtern im Lager des Reichsbahnausbesserungswerks in Neuaubing interniert und lebte dort unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer der acht Baracken.
Surdakowa erkrankte im Frühjahr 1945 schwer, da sie von der harten Arbeit und der unzureichenden Versorgung sehr geschwächt war. Kurz nach Kriegsende starb sie einen Tag nach ihrem 60. Geburtstag am 27. Juni 1945.